Der Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler teilt zur aktuellen Lage u.a. zum Corona-Virus mit:

Passagen im Zusammenhang mit dem Corona-Virus fett hervorgehoben.

Liebe Genossinnen und Genossen,

diese und letzte Woche waren sehr ereignisreich. Auch in der Bundesrepublik breitet sich das Corona-Virus aus. Es wird unser Gesundheitssystem einem Härtetest unterziehen. Es wird die Lebensumstände von uns allen in der kommenden Zeit erheblich verändern. Gleichzeitig rechnen wir wegen der Epidemie mit einem Konjunktureinbruch. Was wir angesichts dieser Herausforderungen tun müssen, ist sehr naheliegend: Wir müssen aufhören, das Gesundheitssystem auf Kostenersparnis und Profit zu trimmen. Im Gegenteil: Es gilt, endlich wieder zu investieren. Wir müssen sicherstellen, dass es flächendeckend öffentliche Krankenhäuser gibt, mit genügend Personal. Wir müssen medizinische Testlabors und medizinische Forschung in öffentlicher Hand stärken. Und wir müssen dafür sorgen, dass wir in der Produktion wichtiger Medikamente und Medizinprodukte nicht von Lieferanten aus Übersee oder Fernost abhängig sind. Das sind Investitionen, die uns fit machen, um die Corona-Epidemie zu überstehen. Und unser politischer Vorschlag wird auch dazu beitragen, als Konjunkturinvestitionen die Nachfrage zu stärken und der Binnenwirtschaft über diese Zeit hinwegzuhelfen. Wenn die Bundesregierung hier lediglich 3,1 Milliarden Euro ab 2021 investieren will, ist das absolut ungenügend. Es handelt sich hierbei um einen Tropfen auf den heißen Stein: 0,009% des Bundeshaushalts!

     Auch als Partei haben wir für unsere Aktivitäten Maßnahmen ergriffen, die Corona-Epidemie einzudämmen. Unsere Kreisverbände haben Empfehlungen zum Umgang mit Gremien- und öffentlichen Veranstaltungen erhalten. Auch für unsere zentralen Veranstaltungen werden wir Vorsorge treffen, dass es nicht zur Gefährdung von Teilnehmer*innen kommt. In konkreten Fällen, in denen wir das nicht sicherstellen können, werden wir diese Treffen auch absagen.

Gleichzeitig rufe ich euch auf: Gebt aufeinander Acht und übt praktische Solidarität, wenn in eurer Nachbarschaft oder im Bekanntenkreis Menschen Unterstützung und Hilfe im Alltag benötigen.

Liebe Genossinnen und Genossen,

in den vergangenen zehn Tagen sind wir in den Medien mit Aussagen in Verbindung gebracht worden, die wir uns alle nicht wünschen. Unsere Strategiekonferenz traf auf ein riesiges Interesse in der Partei. Mehrere hundert Beiträge zur Strategiedebatte wurden eingereicht und veröffentlicht. Bereits Wochen vor Beginn unserer Strategiekonferenz haben sich so viele Genoss*innen angemeldet, dass wir zusätzlichen Platz für Teilnehmer*innen geschaffen haben. Das Bedürfnis an Diskussion und Austausch hat unsere Erwartungen übertroffen. Wir haben die Konferenz als offenen Diskussionsraum angelegt. In etlichen Foren konnte man auf Augenhöhe und in verschiedenen Formaten miteinander diskutieren. Fast alle konnten zu Wort kommen, anders als auf Parteitagen. Es konnte(n) ohne Entscheidungsdruck gesprochen und Argumente ausgetauscht werden – z.B. über die Nachdrücklichkeit, mit der wir die „Mitte-Links-Option“ verfolgen. Es gab neue Einigkeiten – z.B. über die Verbindung von sozialer Gerechtigkeit und Ökologie. Und es wurden, gerade von jüngeren Mitgliedern, neue Herausforderungen formuliert – z.B. an widerständige Regierungspolitik, an Mitgliedergewinnung und Selbstorganisierung, an Feminismus und an ein migrantisches, antirassistisches Profil unserer Partei. Es war deutlich zu spüren, mit wieviel Schwung und Leidenschaft unsere Mitglieder sich an die Veränderung der Gesellschaft machen.

     So sind wir: plural, vielstimmig, aktiv. Wir kommen aus unterschiedlichen linken, sozialen, kulturellen Zusammenhängen und finden uns in gemeinsamer Praxis und hinter gemeinsamen Zielen zusammen. Um die Gemeinsamkeiten zu erreichen, müssen unterschiedliche Vorstellungen ausgesprochen und ausdiskutiert werden. Das macht unsere plurale Partei aus, und nur in gemeinsamer Praxis können wir stärker werden. Das wiederum ist notwendig, um unsere Ziele – sozialen und demokratischen Fortschritt, Klimaschutz, Antifaschismus und Frieden – durchzusetzen.

     Wir sind eine der größeren Linksparteien in Europa. Und: Wir sind durch die Vereinigung vieler linker Strömungen entstanden. Wir halten diese Vielfalt aus, auch wenn es manchmal schmerzt. Mit diesem Anspruch sind wir handlungsfähig: Wir sind ins neue Jahr mit einer gemeinsamen Vorstellung über den Sozialstaat der Zukunft gestartet. Über zweihundert Kreisverbände waren am 8. März gegen den Pflegenotstand und für Frauenrechte auf der Straße. Wir setzen den Mietendeckel in Berlin um und fordern ihn andernorts ein. Wir kämpfen für gute Arbeit und ticketfreien Nahverkehr. Wir protestieren gegen DEFENDER2020. Und wir sind das Bollwerk gegen rechts. Über 1.000 neue Mitglieder sind in den vergangenen Wochen in die Partei eingetreten.

     Auf der Strategiekonferenz gab es in der offenen Debatte sprachliche Entgleisungen, die niemand in der Partei rechtfertigt. Die betreffende Genossin hat sich dafür entschuldigt. Sie hat das Gegenteil von dem sagen wollen, was die Presse ihr und uns unterstellt hat. Das war für die Anwesenden deutlich. Die Reaktion des Parteivorsitzenden darauf war unangemessen. Auch er hat das danach klargestellt und dafür um Entschuldigung gebeten. Katja Kipping hat im Bundestag bekräftigt, dass unsere Partei sich kritisch mit der linken Geschichte auseinandersetzt und es deshalb für uns demokratische Linke nur eine Haltung geben kann: Gewaltlosigkeit.

     Zugleich sind wir eine Partei, die eingeräumte Fehler auch als solche akzeptiert. Auch wenn wir uns ärgern, dass wir eine Vorlage geliefert haben: Wir entziehen Genossinnen und Genossen nicht die Solidarität, wenn sie – etwa durch verzerrte Presseberichte – angegriffen werden. Schon gar nicht in Zeiten faschistischer Bedrohungen, denen derzeit viele Genossinnen und Genossen wie z.B. aktuell in Bremen oder Bayern ausgesetzt sind. Wir nutzen Angriffe politischer Konkurrenten nicht für innerparteiliche Auseinandersetzungen.

     Dies gilt ausdrücklich auch für unseren Ministerpräsidenten, Bodo Ramelow. Als Kandidat der Thüringer LINKEN hat er großen Anteil an unserem Wahlerfolg. Niemand in unserer Partei kann seine antifaschistische Grundhaltung bezweifeln. Seine Entscheidung, einen AfD-Kandidaten zum stellvertretenden Landtagspräsidenten zu wählen, finden viele falsch. Beides hat auch der geschäftsführende Parteivorstand so gesehen. Wir müssen nicht alles teilen, manchmal müssen wir uns streiten. Dafür haben wir Gremien. Und: Unser politischer Weg ist auch durch kontroverse Pfade und Entscheidungen gekennzeichnet. Niemand ist hierbei frei von Irrtümern. Nur gemeinsam werden wir politisch wachsen. Deshalb wollen wir mehr Diskussionsräume schaffen, wie sie die Strategiekonferenz bot. Wir sind verbunden durch gemeinsame Ziele, die das Erfurter Programm skizziert: die Ideen eines demokratischen Sozialismus, der aus Kämpfen für Menschenrechte und Emanzipation, gegen Faschismus, Rassismus und Krieg entsteht. Er bildet den Rahmen für unsere pluralistische Partei DIE LINKE. Lasst sie uns leben und bewahren: mit Leidenschaft für die Sache, mit dem Blick auf unsere Ziele und mit Solidarität für die Menschen und füreinander.

     Macht euch selbst ein Bild: Unsere Strategiekonferenzseite enthält die Diskussionen auf der Konferenz als Videos. Schaut einfach rein und macht euch ein Bild. strategiedebatte.die-linke.de/start/

Solidarische Grüße

Jörg Schindler

Bundesgeschäftsführer der Partei DIE LINKE

Kleine Alexanderstr. 28
10178 Berlin
Tel.: 030 24009 – 398

www.die-linke.de

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